Rene Kaplick „Machen wird mehr möglich machen“

Rede zum Vokstrauertag in Altranft

von ​Major Paul-Eric Lipinski

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich begrüße Sie heute recht herzlich zu unserer Gedenkstunde hier am Kriegerdenkmal in Altranft.

Ich bedanke mich für die Einladung durch den Altranfter Traditionsverein. Es ist mir eine große Ehre, heute hier als Soldat vor Ihnen sprechen zu dürfen!

Wir gedenken heute, 110 Jahre nach Ausbrauch des Ersten Weltkrieges und 85 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. 

Wir erinnern an die Soldaten und die zivilen Opfer von Gefechten, Massakern und Genoziden durch die Diktaturen der damaligen Zeit.  

Das ist die eine, durchaus wichtige Seite dieses heutigen Tages. Aber es gibt noch eine viel wichtigere, entscheidendere Seite.

Um diese Seite zu verdeutlichen, gestatten Sie mir, den österreichischen Schriftsteller Karl Kraus aus dem Jahr 1922 zu zitieren. 

In seinem Werk „Die letzten Tage der Menschheit“ heißt es:

„Alles was gestern war, wird man vergessen haben. Was heute ist, nicht sehen. Was morgen kommt, nicht fürchten. Man wird vergessen haben, dass man den Krieg verloren, vergessen haben, dass man ihn begonnen, vergessen, dass man ihn geführt hat.“

Erschreckend, wie richtig seine Einschätzung bereits 1922 war. Als ob er voraussehen konnte, was nur etwas mehr als 10 Jahre später auf die Welt zukam. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die damit einhergehende kolossalere Steigerung des Leides im Vergleich zum 1. Weltkrieg. 

Hätte der damalige Reichpräsident Paul von Hindenburg am 30.01.1933, bei der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler, doch nur an diese Aussagen gedacht, als ihm der gescheiterte Reichskanzler Franz von Papen versicherte, dass ein neuer Reichskanzler Hitler schon durch eine konservative Kabinettsmehrheit kontrolliert werden könne. Die vielleicht größte Fehleinschätzung der deutschen Geschichte. 

Aber schauen wir auf das Hier und Heute. Es ist erschreckend, wie sehr die heutigen Ereignisse denen der Jahre vor 1933 entsprechen. Seit dem generalstabsmäßig geplanten Überfall Russlands auf die Ukraine, wird überall von einer Zeitenwende und geschichtlichen Zäsur für Europa gesprochen. 

Und wir? Über 2 Jahre danach? Wir haben anscheinend wieder vergessen, wie oft die Geschichte sich wiederholt, haben vergessen, was Krieg in Europa bedeutet. Wir wollen das, was heute ist, nicht sehen. Was morgen kommt, nicht fürchten. 

Ich bin mit meiner Kompanie seit 1 Woche auf Übung in Mecklenburg-Vorpommern. Auch heute! Gerade in diesem Moment trainieren meine 115 Männer und Frauen, gegen das Vergessen und gegen das, was morgen kommen könnte. 

Warum? Weil wir geschworen haben, dass Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Weil wir genau wissen, dass wegschauen und ignorieren es nur noch schlimmer machen. Weil wir wissen, dass jeder Einzelne für die Sicherheit unserer Freiheit, unseres Landes, unserer Heimat und unserer Familien zählt. Egal ob er Soldat oder Zivilist ist. 

Unser aller Handeln bestimmt, ob wir weiter in diesem Wohlstand und Frieden leben können. Dazu gilt es, sich für unsere Gesellschaft, für unsere Gemeinschaft einzubringen. Egal ob im Beruf, im Sport- oder Kulturverein, in der freiwilligen Feuerwehr, im Stadtparlament, im Ortsbeirat, in der Familie oder bei Freunden. Hierfür muss jeder bereit sein, etwas von seiner Freiheit, von seiner Zeit, von seiner individuellen Selbstbestimmung der Gemeinschaft zurückzugeben, da wir nur gemeinsam die Herausforderungen unserer heutigen Zeit lösen können.

Lassen Sie mich also bitte feststellen, dass der heutige Tag nicht nur ein verstaubtes Ritual aus einer längst vergangenen Zeit ist, sondern aktueller denn je Gedenken und Mahnung zugleich. Wir können Frieden und Freiheit für unser Land nur bewahren, wenn wir aktiv für ihn eintreten. Meine Männer und Frauen und natürlich ich selbst, sind dazu fest entschlossen. Ich hoffe, Sie sind es auch! 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

​Major Paul-Eric Lipinskie