Rene Kaplick „Machen wird mehr möglich machen“

Bundesverfassungsgericht hat entschieden.

Die Ampel kann weder Haushalt noch Wahlrecht was kann sie überhaupt?

Das Bundesverfassungsgericht hat am 30. Juli 2024 die Wahlrechtsreform der Ampel von 2023 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. In dem unter anderem von uns, der Unionsfraktion, beantragten Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht die neu eingeführte Zweitstimmendeckung zwar für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, jedoch nicht die 5 %-Sperrklausel in ihrer jetzigen Form (also ohne Grundmandatsklausel).

Das Zweitstimmendeckungsverfahren hält das Bundesverfassungsgericht mit dem Grundgesetz für vereinbar. Das bedeutet, dass der Wähler zwar weiterhin zwei Stimmen hat – die Erststimme für einen Wahlkreiskandidaten und die Zweitstimme für die Liste. Es ziehen aber nur so viele Wahlkreiskandidaten in den Bundestag ein, wie der jeweiligen Partei nach ihren Zweitstimmenergebnissen auf Landesebene zustehen. Die Reihenfolge der Zuteilung erfolgt nach den Erststimmenanteilen. Bewerber der Landeslisten kommen nur dann zum Zuge, wenn darüber hinaus Plätze verbleiben. Die früher als Überhangmandate bezeichneten Wahlkreiskandidaten werden zukünftig „gekappt“. Das Bundesverfassungsgericht betont hier den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Dagegen ist die Beibehaltung der 5 %-Sperrklausel in ihrer geltenden Form (also ohne Grundmandatsklausel) mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dies beeinträchtigt den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG). Eine Sperrklausel in Höhe von 5 % ist zwar weiterhin ein geeignetes Mittel zur Wahrung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages. Allerdings bemängelt das Bundesverfassungsgericht, dass es nach Streichung der Grundmandatsklausel, nach der eine Partei auch dann in den Deutschen Bundestag einzieht, wenn sie 5 % der Wählerstimmen nicht erreicht, aber in mindestens drei Wahlkreisen das Direktmandat erzielt, keine Abmilderung der Sperrklausel mehr gibt. Das könnte zum Beispiel dazu führen, dass die CSU auch dann nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten wäre, wenn sie zwar fast alle Wahlkreise in Bayern gewonnen hätte, aber bundesweit weniger als 5 % erreicht.

Das Bundesverfassungsgericht fordert den Gesetzgeber zu einer Neuregelung auf und ordnet an, dass bis dahin die Grundmandatsklausel in ihrer bisherigen Form anzuwenden ist.

Wir haben gegen die Wahlrechtsreform der Ampel geklagt, da wir sowohl das Verfahren der Zweitstimmendeckung als auch den Wegfall der Grundmandatsklausel für verfassungswidrig gehalten haben. Das Urteil gibt uns in Teilen recht, indem es die 5 %-Sperrklausel in ihrer jetzigen Form (also ohne Grundmandatsklausel) tatsächlich für verfassungswidrig erklärt. Positiv ist auch, dass eine 5 %-Sperrklausel grundsätzlich weiterhin möglich bleibt, womit eine Zersplitterung des Parlaments vermieden wird. Bedauerlich ist hingegen, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Argumentation in Bezug auf die Zweitstimmendeckung nicht gefolgt ist. Dabei hat das Gericht nur die verfassungsrechtlichen Grenzen geprüft, was Raum für andere, ebenfalls verfassungsrechtlich zulässige Lösungen lässt. Wir halten daher an unserem politischen Ziel fest, das Wahlkreismandat in der nächsten Wahlperiode in seiner Bedeutung wieder zu stärken.

Mit den Fraktionen der Ampel waren wir uns immer einig, dass die Zahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag verringert werden muss. Wir haben der Ampel hierzu in der laufenden Wahlperiode mehrfach konkrete Vorschläge unterbreitet. Die Ampel hat unsere Vorschläge jedoch abgelehnt und stattdessen ein Wahlrecht verabschiedet, das heute vom Bundesverfassungsgericht in einem wesentlichen Teil für verfassungswidrig erklärt wurde. Damit ist der Versuch der Ampel, mit Hilfe des Wahlrechts politische Konkurrenten auszuschalten, vor dem Bundesverfassungsgericht erwartungsgemäß gescheitert.

Auch wenn das von uns ebenfalls angegriffene sogenannte „Zweitstimmendeckungsverfahren“ vom Bundesverfassungsgericht für vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen wurde, bleiben wir bei unserer Auffassung, dass dieses Verfahren bei der nächsten Bundestagswahl zu einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere von Wahlkreisbewerbern der CDU und der CSU führen wird. Das Wahlkreismandat wird nach dem Ampel-Wahlrecht entwertet. Damit schadet die Ampel dem Grundsatz der demokratischen Repräsentanz der Wahlkreise im Deutschen Bundestag.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Details der 5 %-Sperrklausel und der Grundmandatsklausel neu zu regeln. Wir bieten der Ampelkoalition an, noch vor der nächsten Bundestagswahl eine gemeinsame umfassende Änderung des Wahlrechts vorzunehmen, die beide Ziele erreicht: die Verringerung der Abgeordnetenzahl und die Wahrung der demokratischen Repräsentanz.